Das zweite Haus auf der rechten Seite war unseres.
Mein Name ist Roland Polzer, bin Jahrgang 1960, verheiratet und habe eine Tochter. Meine Vorfahren stammen aus Mähren einer Gegend im Odergebirge, etwa 8 Kilometer von der Oderquelle entfernt. Von meinen
Großeltern habe ich viel über die alte Heimat und die Vertreibung
erfahren. So habe ich mich vor ein paar Jahren entschieden, einmal
diese Gegend zu besuchen und anzuschauen.
Ich würde sofort wieder fahren!
Ich möchte alle die noch Bilder aus Groß - Waltersdorf haben bitten, mir die Bilder zur Verfügung zu stellen um sie kopieren, scannen oder Abzüge davon machen zu können. Die Bilder werden von mir auf jeden Fall schnellstmöglich zurückgegeben!
Nun möchte ich Ihnen ein klein wenig davon erzählen, ich wünsche Ihnen viel Spaß dabei.
Groß - Waltersdorf,
ein
Ort der ca. 1250 besiedelt wurde und in den Oderbergen in Nordmähren,
der heutigen Tschechischen Republik liegt. Die Oderquelle, Ursprung des
fünftgrößten Flusses und zugleich Grenzfluss zwischen Deutschland und
Polen ist etwa 8 km entfernt. Der Ort hatte 1946 ca. 2000 Einwohner,
die meisten davon Deutsche. Nach Kriegsende wurde durch die
Beneschdekrete verfügt, dass sämtliche Deutschen das Land verlassen
müssen. Das geschah auch in den anderen Ostgebieten wie Schlesien usw.
Die Einwohner wurden vertrieben und mußten alles zurücklassen, bis auf
50kg Gepäck pro Person, welches ihnen teilweise auch noch abgenommen
wurde. Es war eine schlimme Zeit. Doch darüber möchte ich nicht
berichten, denn darüber gibt es genügend Literatur. Leider liegt Groß -
Waltersdorf mitten im militärischen Sperrgebiet des
Truppenübungsplatzes Libava, dem ehemaligen Stadt Liebau, Geburtsort
meiner Großmutter, und war somit nicht mehr zu besuchen. Sie wollte
dort auch nicht mehr hin, zu sehr schmerzte das erlebte und oft sagte
sie: "Ich möchte es so in Erinnerung behalten wie es war." Trotzdem
hatte sie immer Heimweh.
Ich wollte auch einmal dort hin und
sehen wo sie einst glücklich waren. Meine Großeltern mein Vater und
sein Bruder. So machte ich mich zusammen mit meiner Frau und meiner
Tochter, 62 Jahre nach der Vertreibung auf den Weg nach Mähren. Eine
Bekannte hatte uns eingeladen und teilte uns mit, dass sie versuchen
möchte eine Ausnahmegenehmigung zu bekommen, damit wir ins Sperrgebiet
können. Nach 850 km Fahrt hatten wir unser Ziel erreicht. Wir waren in
Mähren. In einem bis uns dahin unbekannten Land. Die Bekannte war auch
Deutsche, doch sie mußte 1946 dort bleiben und konnte nicht ausreisen.
So hatten wir jemand der sehr gut deutsch sprach und für uns übersetzen
konnte. Am ersten Tag machten wir einen Ausflug in die nähere Umgebung.
Den zweiten Tag machten wir uns dann auf den großen Weg. Ich war sehr
aufgeregt, denn die Bekannte hatte tatsächlich eine Bewilligung für uns
erhalten und nun waren wir auf dem Weg ins Sperrgebiet. Je weiter wir
fuhren umso aufgeregter wurde ich. Würden wir Spuren des Hauses meiner
Großeltern finden? Sieht man überhaupt noch was? Was erwartet uns
überhaupt?
Wir fuhren auf einer Kopfsteinpflasterpiste und
irgenwann erschien auf der linken Strassenseite ein wunderschönes Haus.
Es war das ehemalige Schloss des Garfe von Würbna. Das Waltersdorfer
Schloss. Ich konnte es nicht glauben. Wir fuhren ein Stück weiter und
da stand ein verwittertes Schild mit der Aufschrift: Velka Strelna. So
wurde Groß - Waltersdorf in tschechisch genannt. Ich konnte es kaum
glauben, ich war da! Wir fuhren den Olmützberg hinab wo einst unser
Haus stand. Die Abzweigung zur Bahnstation und in den Dorfgrund gibt es
noch. Schon hatten wir die einstige Dorfmitte erreicht. Wo einmal die
Kirche stand ist heute nurmehr ein Hügel zu erkennen. Wo das
Kriegerdenkmal stand steht heute ein Gedenkstein. Wir zündeten dort
eine Kerze an im Gedenken an unsere Vorfahren. Dann machten wir uns auf
den Weg durchs ehemalige Dorf. Wir liefen die Strasse ins Niederdorf
entlang und unsere Bekannte sagte uns wo einmal die Häuser standen und
wer dort wohnte. Wir sahen den Dorfteich und viele Mauerreste.
Irgenwann
erreichten wir das Ortsende und fuhren mit dem Auto wieder zurück zum
Gedenkstein. Dann machten wir uns auf die Suche nach dem Haus. Leider
ist dort wo früher die Strasse nach Habicht verlief, heute Sumpfgebiet.
Wir fanden trotz längerem Suchen das Haus nicht. So machten wir uns
nach ein paar Stunden der Suche auf den Weg zurück zu unseren
Gastgebern.
Da die Bewilligung für zwei Tage gilt, fuhren wir
am nächsten Tag noch einmal dort hin und machten uns abermals auf die
Suche. Wir fanden den alten Friedhof und dann mußte es auch nicht mehr
weit zu unserem Haus sein. Ich machte mich auf den Weg und lief einen
kleinen Bachlauf entlang, stieg eine kleine Böschung hoch und war auf
einmal zufrieden mit mir. Ich schaute mich um und auf einmal rief meine
Frau: "Schnell komm, da ist der Eingang zu eurem Keller" In diesem
Moment wußte ich, dass ich in unserem Garten stand. Ich lief über den
Bach und sah Mauerreste. Ich konnte es nicht fassen. Ich stand
tatsächlich vor den Resten unseres Hauses. Ich ging zu meiner Frau und
sah tatsächlich Treppen die in die Tiefe führten. Vorsichtig stieg ich
die Treppen hinab und stand im Keller unseres Hauses. Mehr war nicht
mehr übrig. Ich sah auf dem Boden etwas liegen und bemerkte dass es
sich um den Rest eines Fensterrahmens handelte. Als ich ihn mir näher
anschaute sah ich, dass er mit grüner Farbe gestrichen war. Es war die
Lieblingsfarbe meines Großvaters. In diesem Moment überkamen mich doch
die Emotionen.Wir sahen noch die Reste unseres ehemalige Teiches, die
Zaunpfosten (die Opa selber goß) standen noch und die alten Bäume. Die
Natur deckt jedoch, langsam aber unaufhaltbar, die Vergangenheit und
das Erlebte gnädig mit ihrer Schönheit zu. Ich verblieb noch ein wenig
allein im Garten und dachte an meine Großeltern. Schade dass ich es Oma
nicht mehr erzählen kann dass ich in Groß - Waltersdorf in unserem
Garten stand. Aber vielleicht hat sie mir aus dem Himmel zugesehen. Ich
habe noch ein wenig Erde aus dem Garten mitgenommen und bei meiner
Rückkehr nach Deutschland, gemeinsam mit meinem Vater, auf das Grab
meiner Großeltern gegeben.
Wir blieben noch ein paar Tage in
Mähren und schauten uns noch viele Sachen an. Jetzt kann ich verstehen
warum die Menschen Ihre Heimat so vermißt haben und auch heute noch
vermissen.
Drei Monate später fuhren wir noch einmal nach Mähren und nach Groß - Waltersdorf.
Die
ganze Reise hier zu beschreiben würde den Rahmen sprengen deshalb kann
man das Erlebte und den Reiseverlauf in zwei Büchern lesen, welche ich
nach unserer Reise geschrieben habe. Sie sind nicht im Handel zu
bekommen, nur direkt bei mir.
Ausserdem habe ich ein Buch mit
alten Fotos aus Groß-Waltersdorf zusammengestellt. So hoffe ich, dass
ich dieses untergegangene Dorf wenigstens auf Bildern ein klein wenig
erhalten kann.
Sollten Sie Interesse haben, können Sie sich
gerne unter rolandpolzer@gmx.de mit mir in Verbindung setzen. Auch über einen Gästebucheintrag würde ich mich freuen.